Rückblick 3. Jahrestagung 2009

Am 25. und 26. Juni 2009 kamen etwa 50 an System Dynamics Interessierte zum 3. Workshop der Deutschen Gesellschaft für System Dynamics e.V. nach Stuttgart. Die Universität Stuttgart war dieses Jahr Gastgeber; am Donnerstag Nachmittag in Räumlichkeiten auf dem Campus in der Innenstadt; am Folgetag im Internationalen Begegnungszentrum der Universität, der umgebauten ehemaligen Villa des Raumfahrtpioniers Prof. Eugen Sänger auf dem Campus in Vaihingen. Der Workshop bot die Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre über System Dynamics auszutauschen, dabei unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven kennenzulernen, miteinander zu vergleichen sowie Ideen und Wissen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.

Der Modellierungsworkshop stand im Mittelpunkt des ersten Tages. Die ca. 20 Teilnehmer brachten insgesamt 9 Themenstellungen hierfür mit. Es entstand ein inspirierender und bereichernder Austausch im World Café-Format: Die Teilnehmer konnten die verschiedenen Fragestellungen „besuchen“, ihr Wissen zusammenführen und im Dialog gemeinsam neue Einsichten entwickeln. F

Der Abend klang in einer Bar in der Nähe des Stuttgarter Schlosss in der Innenstadt mit anregenden Gesprächen über System Dynamics, Sommer oder Sonstiges aus.

Für den 2. Tag des Workshops konnten wir Dr. Andreas Größler, Professor an der Radboud University Nijmegen, Niederlande, für den Eröffnungsvortrag gewinnen. Er referierte über „System Dynamics als organisationale Intervention“. Im Mittelpunkt seines Referats stand die Frage, wie Menschen mit Komplexität umgehen (können). Er nahm seine Zuhörer mit zu Ausführungen zum Thema, dass „Organisationen komplexe Gebilde [sind] und es hat sich vielfach gezeigt, dass Menschen nur unzulänglich mit solcher Komplexität umgehen können“. Dabei ging er auf 3 Punkte im Besonderen ein, in denen er verschiedene Blickwinkel zu der Beziehung zwischen Menschen und ihre Kognition und Organisationen diskutiert.

Ein Höhepunkt des Vormittags war die Verleihung des zweiten ausgeschriebenen Gert-von-Kortzfleisch-Preises für wissenschaftlich herausragende System-Dynamics-Arbeiten. Ausgezeichnet wurde Herr Dr. Florian Kapmeier für seine Arbeit „Interorganizational Learning in Learning Alliances“.

In der mit dem diesjährigen Gert-von-Kortzfleisch-Preis ausgezeichneten Arbeit wird ein ganzheitlicher Rahmen für die Untersuchung der dynamischen Entwicklung einer Lernkooperation aus zwei Unternehmen berücksichtigt. Hierfür erarbeitet Dr. Florian Kapmeier ein auf der System Dynamics Methode basierendes Simulationsmodell, mit dessen Hilfe verschiedene dynamische Aspekte von Lernkooperationen experimentell untersucht werden. Zur Modellerstellung hat der Autor zum einen eine Intensivfallstudie einer Allianz aus der Chemieindustrie durchgeführt. Zum anderen gründet sich die Arbeit auf kooperationsrelevante Theorieansätze.

Die von Herrn Dr. Kapmeier als Dissertation vorgelegte Studie verfolgt ein ehrgeiziges Forschungsziel, das ohne Einschränkung als erreicht eingestuft werden kann. Theoretische Fundierung, methodologisches Design und inhaltliche Ausführung genügen hohen wissenschaftlichen Ansprüchen. Herr Dr. Kapmeier leistet mit seiner modellgestützten Fallanalyse einen innovativen Beitrag zur noch relativ jungen Allianzforschung. Seine Argumentationen auf Basis eines breiten, als relevant erkannten Theorienspektrums sind fundiert. Bei der Durchführung der Fallstudie hat er Geschick und Einfühlungsvermögen bewiesen. Sehr hoch einzuschätzen ist seine Fähigkeit zur Transformation bestehender Erkenntnisse aus der einschlägigen Literatur und aus der Fallstudie gewonnener Einsichten in ein formales Modell.

Mit dem Gert-von-Kortzfleisch-Preis 2008 wurde eine Arbeit ausgezeichnet, welche die Methodendiskussion mit einer ausgezeichneten Analyse und einem fundierten Vergleich von SD und agentenbasierter Simulation bereichert hat. Der diesjährige Preis würdigt eine Arbeit, die – neben dem wissenschaftlich wie praktisch relevanten Erkenntniszuwachs – den Prozess einer auf SD basierenden wissenschaftlichen Studie in beispielhafter Weise demonstriert.  Ihre Lektüre sei all jenen empfohlen, die sich an einem Vorbild für die Durchführung einer soliden SD-Studie orientieren möchten.

Die ausgezeichnete Dissertation ist im Jahr 2007 im Verlag Peter Lang erschienen und kann über den Buchhandel bezogen werden.

Die Laudatio hielt das Mitglied der Jury, Herr Dr. Peter Merten, Mitglied der Geschäftsführung bei Kolbenschmitd Pierburg. Verliehen wurde der Preis vom Jury-Vorsitzenden Professor Dr. Jürgen Strohhecker und DGSD-Präsident Switbert Miczka.

Im Anschluss an die Laudatio referierte Florian Kapmeier über einen Themenbereich aus seiner Dissertation mit dem Fokus auf Erkenntnissen aus der verhaltensorientierten Spieltheorie und damit im Zusammenhang stehende Fairness und Vertrauen für das erfolgreiche Steuern von Allianzen. Eine Tipping-Point Analyse rundete seinen Vortrag ab.

Im Praxiskolloquium berichteten vier Teilnehmer über ihre Anwendererfahrungen mit System Dynamics. Sämtliche Praxisvorträge standen dieses Jahr unter dem Thema Energie. Robert Weikl (TU Chemnitz und Robert Bosch GmbH, Stuttgart) hat im letzten Jahr schon einmal vorgetragen und berichtete von seinem Forschungsfortschritt. Er beschäftigte sich mit der „Systemdynamischen Betrachtung der Antriebswahl im Automobilmarkt“ und analysierte die Entwicklung von Diesel, Benzin, Elektro-, Hybrid und Erdgasfahrzeugen – aus Sicht eines Automobilzulieferers. Donald Neumann (Graduiertenschule der Universität Stuttgart und EnBW AG, Karlsruhe) betrachtete das Thema aus der Agentenbasierten Modellierungsmethode mit seinem Vortrag „Agentenbasierte Simulation am Beispiel einer Produktneueinführung“. Susanne Schmidt (EIFER Europäisches Institut für Energieforschung, Karlsruhe) stellte „Einsatz eines System Dynamics Modells des deutschen Elektrizitätsmarkts in der partizipativen Energiesystemanalyse“ vor. Mit ihren Kollegen hat sie ein bestehendes Modell des Elektrizitätsmarkts auf die Verhältnisse in Deutschland angepasst und Experten um Eingangswerte als Szenarioinputgrößen gebeten. Die Ergebnisse wurden mit Vertretern aus der Industrie diskutiert und in einem IHK-Bericht veröffentlicht. Der Bericht kann hier bezogen werden: www.pfalz.ihk24.de/produktmarken/innovation_und_umwelt/Energie/Energiepolitik/Zukunft_Energiesektor.pdf

Der Workshop wurde mit einem Doktorandenkolloquium abgerundet. Christian Lehr (Universität Mannheim) berichtete in seiner Präsentation „Rückführungs- u. Wiederaufbereitungsstrategien in Closed-Loop Supply Chains“ über die Relevanz eines nachhaltigen Wirtschaftens durch Kreislaufführung von Altpodukten und Rohstoffen in der Elektroindustrie.

Marcel Dick (Frankfurt School of Finance and Management, Frankfurt am Main) referierte über ein sehr aktuelles Thema. Mit seinem Forschungsthema “Reducing income volatility through better resource-sharing policies: The case of the investment banking industry” überträgt er Einsichten aus dem “2-Duschen-Modell” auf die komplexe Ressourcenpolitik bei Investmentbanken, die zu einer überdurchschnittlichen Einkommensvolatilität führt.

Wir danken allen Beteiligten an dieser Stelle nochmals für Ihre Diskussionsbeiträge und ihre aktive Beteiligung am Gelingen des 3. Workshops der Deutschen Gesellschaft für System Dynamics und den Gastgebern, der Universität Stuttgart für die tolle Organisation vor Ort. Wir freuen uns schon auf den nächsten Workshop, der für Juni 2010 geplant ist.