September: Programm der DGSD-Jahrestagung ist online / „You fix the climate“ in der NYT / DGSD-Stipendiatenbericht: Immobilienmarkt von Lissabonn

Liebe Mitglieder und Freunde der Deutschen Gesellschaft für System Dynamics,

am Montag beginnt die 11. DGSD-Jahrestagung. In den letzten Newslettern habe ich Ihnen schon vom Programm berichtet – nun steht es und es erwarten uns zwei abwechslungsreiche und inspirierende Tage mit unserem internationalen Gastvortragenden Prof. Dr. Jeroen Struben, einem Gespräch unserer Ehrenmitglieder Prof. Dr. (em.) Erich Zahn und Prof. Dr. (em.) Dr. h.c. Peter Milling über das Leben und Wirken von Jay. W. Forrester, einem Nachwuchs- und Praxiskolloquium sowie einem Vortrag des DGSD-Stipendiaten Gian Wieck (siehe unten) und des Preisträgers des Gert-von-Kortzfleisch-Preises 2017. Am Montag Abend haben wir für Sie noch eine Führung durch das Bauhaus-Museum organisiert. Hier finden Sie das Programm:

Und hier sind noch zwei weitere interessante Themen:

  • „You Fix the Climate“: Die New York Times schaltet ein weiteres interaktives Modul zum Klimawandel frei, das auf Basis von Analysen von C-ROADS erstellt wurde
  • Immobilienmarkt von Lissabon: DGSD-Stipendiat Gian Wieck gibt Einblick in ein weiteres Modellierungsprojekt (das Modell stellt er auch auf der Jahrestagung vor – hier also ein kleiner Vorgeschmack)

Bis nächste Woche auf der Tagung – wir freuen uns auf Sie! Übrigens: Es gibt noch freie Plätze. Hier können Sie sich noch anmelden: http://www.systemdynamics.de/jahrestagung/aktuelle-jahrestagung/anmeldung-jt17/
Florian Kapmeier


“You Fix the Climate”: C-ROADS-Analyse für die New York Times

Climate Interactive hat mit dem C-ROADS-Klimasimulator (https://www.climateinteractive.org/tools/c-roads/) eine Analyse erstellt, die von der New York Times veröffentlicht wurde: https://www.nytimes.com/interactive/2017/08/29/opinion/climate-change-carbon-budget.html?utm_content=bufferc0fb8&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer

Probieren Sie es aus. Viel Erfolg!

Auf den Seiten von Climate Interactive finden Sie einen Hintergrundbericht dazu: https://wp.me/p4OezK-4Rg.


Immobilienmarkt von Lissabon: Zweites Modellierungsproject des DGSD-Stipendiaten Gian Wieck

Liebe Mitglieder und Freunde der Deutschen Gesellschaft für System Dynamics e. V.,

Steigende Mietpreise, Bau von Luxusappartements und Verdrängung der Einheimischen. Lissabon’s Wohnungsmarkt durchläuft zurzeit einen in Portugal nicht-erlebten Gentrifizierungsprozess. Die durchschnittliche Miete versechsfachte sich in den letzten 15 Jahren und ruft nun Stadtplaner auf den Plan, die einen Ausverkauf der Stadt verhindern wollen.

In unserem zweiten Semester des europäischen Masters in System Dynamics studierten meine Kommilitonen und ich an der Universidade Nova in Lissabon. Das Semester beinhaltete erneut eine Projektarbeit, bei der wir selbst eine Problemstellung wählten und dieses mit der Unterstützung von Stakeholdern und Experten in einem SD-Modell analysierten. Wir orientierten uns dabei an der Methodik unseres Professors Nuno Videira zur partizipativen Modellierung mit Stakeholdern (PSDM; Videira, 2016). Dieser Blogeintrag ist ein kleiner Ausschnitt meiner Projektarbeit des letzten Semesters und somit ein Teaser für meinen Nachwuchsvortrag auf der diesjährigen DGSD-Konferenz in Dessau.

Es war unsere Zielsetzung, die Preisdynamiken des privaten Immobilienmarktes im Lissabonner Zentrum zu verstehen und mit historischen Besonderheiten in Bezug zu setzen. Eine Besonderheit des portugiesischen Wohnungsmarktes war das Einfrieren der Mietpreise. Unter der Diktatur Salazars wurde im Jahre 1947 entschieden, dass die Mieten maximal um das Inflationsniveau angehoben werden dürfen. Dieses Gesetz bestand auch nach der Nelkenrevolution weiter und erst in den 90er Jahren wurden erste Gesetze zur Liberalisierung des Wohnungsmarktes verabschiedet. Das Einfrieren der Mieten sollte Immobilienspekulationen verhindern und die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung eindämmen. Allerdings führten die geringen Mieteinnahmen zum schleichenden Verfall der Wohnhäuser: Das Kapital der Hausbesitzer reichte nicht aus, um notwendige Renovierungsarbeiten durchzuführen. Im Zentrum von Lissabon, schon immer geprägt von Mietshäusern, dauerte der Verfall bis vor einigen Jahren an. Anfang des neuen Jahrtausends zielten mehrere Reformen der portugiesischen Regierung in den 2000er Jahren auf Investitionen im Immobilienmarkt, um durch ausländisches Kapital demolierte Häuser zu renovieren und das Angebot an Mietwohnungen zu erhöhen. Eine Marktliberalisierung und eine vermehrt vermieter-freundliche Politik sollten dem Verfall Einhalt gebieten und das Stadtbild erneuern. Allerdings, so unsere Hypothese, wird die Sanierung der Stadt vor allem vom boomenden Tourismus in Portugal dominiert und führt nicht dazu, dass das Angebot an Mietwohnungen für die lokale Bevölkerung erhöht wird. Rasant steigende Mietpreise und Verdrängung der Einwohner sind die Folge dieser Entwicklung und müssen mit zukünftigen Policies kontrolliert werden.

Unsere Arbeit am Modell glich einem Puzzle: Zahlreiche Akteure mit individuellen Interessen; zusammengehalten durch liberale städtische Richtlinien. In Expertengesprächen mit der Stadtverwaltung, Doktoren und Bürgerrechtsinitiativen versuchten wir, ein umfassendes Bild der Einflussfaktoren festzuhalten. In unserem CLD skizzierten wir die Erfahrungen unserer Experten sowie Einblicke aus wissenschaftlichen Arbeiten. Aufgrund begrenzter Bearbeitungszeit und limitierter Verfügbarkeit von Experten mussten wir unseren Fokus reduzieren und engere Systemgrenzen definieren. Unten zu sehen ist das reduzierte CLD, welches den Alterungsprozess von Gebäuden, das Wohnungsangebot und die Wohnungsnachfrage umfasst. Die blauen Variablen wurden im SFD als externe Einflussfaktoren modelliert. Das Modell analysiert die Verwendung von Mietwohnungen: Entweder werden sie langfristig vermietet oder sie werden als Ferienwohnungen über Portale wie airbnb.com und booking.com für Touristen angeboten.

Mit der Erstellung eines SFDs wollten wir unsere Hypothese quantifizieren und das simulierte Systemverhalten mit historischen Daten vergleichen. Die Quantifizierung bedeutete eine große Herausforderung, da zum Wohnungsmarkt in Lissabon nur wenige öffentliche Daten gesammelt werden. Wir nutzen die Schätzungen von Experten, um das Verhalten zwischen gemessenen diskreten Werten zu ermitteln und somit dynamische Referenzvariablen zu erstellen. Die folgende Abbildung zeigt das entwickelte SFD mit den vier Hauptbereichen: Alterungsprozess von Wohnhäusern, Verwendung von Mietobjekten, langfristige Nachfrage durch Locals und kurzfristige Nachfrage durch Touristen.

Die Simulation des Modells ermöglicht, die historische Entwicklung des Mietpreises und des Wohnungsangebotes zu replizieren. Die folgenden Abbildungen zeigen das Modellverhalten im Vergleich zu den Entwicklungen der Referenzvariablen. Die Abbildungen zeigen außerdem Modellvorhersagen, inwiefern sich das System in Zukunft entwickeln wird. Im Business-as-usual-Szenario würde der Mietpreis bis 2020 rapide steigen, bevor er sich einem Equilibrium annähert. Diese Preisentwicklung würde zu enormer sozialer Verdrängung führen und viele Familien und alte Menschen aus ihren Wohnungen werfen, damit Investoren von steigenden Immobilienpreisen profitieren können.

 

Im Modell getestete Policies gaben Aufschlüsse über potentielle Eingriffe in die bestehenden Systemdynamiken. Allerdings müsste für eine exakte Analyse das Modell erweitert werden und zusätzliche Systemelement einbezogen werden: Dynamiken von Investitionsentscheidungen sowie Eigenbedarf durch Hausbesitzer müssen verstanden werden, um den langfristigen Effekt von Policies zu verstehen. Nichtdestotrotz zeigt unser Modell die Preisentwicklung eines liberalisierten Wohnungsmarktes und dessen Gefahren für die zukünftige Stadtentwicklung. Lissabon – sowie viele andere Großstädte dieser Welt – müssen sich entscheiden, ob auch zukünftig alleine das Einkommen darüber entscheiden soll, ob Bewohner innerhalb der Stadt leben können oder ob die Innenstadt zum internationalen Spielfeld für Investoren werden soll.

Quelle: Videira, N.; Antunes, P.; Santos, R. (2016). Engaging stakeholders in environmental and sustainability decisions with participatory system dynamics modeling. Published in Environmental Modeling with Stakeholders: Theory, Methods and Applications.


Termine im Überblick

  • Jahrestagung der DGSD in Dessau-Roßlau: 18. und 19.09.2017
  • Jahreskonferenz 2017 der GVDK – Gesellschaft für vernetztes Denken und Komplexitätsmanagement e.V. in Königstein: 21.09. – 23.09.2017
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